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Was ist Resilienz?

Wissenswertes über die psychische Widerstandskraft

Resilienz-Definition

Wie Resilienz definiert wird, hängt von der jeweiligen Fachperspektive ab. Der Begriff stammt aus der Werkstoffphysik und meint in seiner ursprünglichen Fassung die Elastizität von Materialien. Resilienz in der Biologie meint heute etwa die Resistenz des Immunsystems, in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften die Regenerationsfähigkeit von Städten und Unternehmen.

 

Das hier relevante psychische Phänomen spielt in der Psychologie und in der Pädagogik eine wichtige Rolle. Es beschreibt Menschen, die auch starke psychosoziale Belastungen bewältigen können, ohne maßgebliche Einbußen in Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit zu erfahren. Das Verständnis von Resilienz als psychische Kraft hat sich derzeit am stärksten durchgesetzt.

Wie entsteht Resilienz? - oder - Kann man Resilienz lernen?

Die Attraktivität einer mentalen Kraft, die es ermöglicht, auch stark belastende Situationen weitgehend unbeschadet zu überstehen, ist nachvollziehbar, doch kann man diese Kraft erlernen? Die Antwort lautet: Ja, zumindest teilweise. Resilienz kann über die gesamte Lebensspanne zu einem gewissen Grad entwickelt werden.

 

Es handelt sich dabei aber um keine Fähigkeit, die einmal erworben wird und dann in jeder schwierigen Lebensphase gleichermaßen Wirkung zeigt. Vielmehr fußt sie auf einem günstigen Zusammenspiel von stabilen und veränderbaren Persönlichkeitsfaktoren, von Umweltbedingungen und situativen Gegebenheiten. Dementsprechend ist auch nachvollziehbar, warum die Entwicklung von Resilienz im Lebenslauf wiederholt notwendig werden kann und sich die Widerstandskraft, je nach Belastungssituation, mal mehr und mal weniger zeigt.

 

Eine spannende Perspektive bietet heute die Neurobiologie, denn sie liefert Hinweise darauf, dass auch vermeintlich stabile Gene, die eine Stressresilienz begünstigen, durch Umwelterfahrungen verändert werden können.

Schutzfaktoren und Risikofaktoren

In der Resilienzwissenschaft versteht man psychische Resilienz als Bewältigungsprozess (Coping), der in Gang gesetzt wird, wenn Menschen mit starken Stressoren konfrontiert sind. Solche Stressoren werden als Risikofaktoren bezeichnet, weil sie eine gesunde Entwicklung bedrohen. Risikofaktoren im Erwachsenenalter sind z.B. der Tod oder die Trennung vom Partner, eine chronische Erkrankung, die Pflege von Angehörigen, längerfristige Überforderung und Leistungsdruck auf Arbeit, Existenzkrisen oder Einsamkeit.

 

Das Resilienz-Modell lässt sich aber nicht auf Stressbewältigung reduzieren. Es schreibt ein positives Bewältigungsergebnis (wie psychische Gesundheit) angesichts maßgeblicher Belastungen fest. Lässt sich bei einem Menschen „Resilienzverhalten“ trotz schwieriger Lebensumstände beobachten, dann wird dies auf Schutzfaktoren zurückgeführt (auch „Resilienz-Faktoren“ oder „Resilienz-Ressourcen“). Zahlreiche Resilienz-Studien zeigen, dass sowohl psychische, körperliche als auch Umweltfaktoren für die Widerstandskraft bedeutsam sind. Den psychischen Schutzfaktoren und -prozessen – z.B. Selbstwirksamkeit, Optimismus, Achtsamkeit oder Verantwortlichkeit – wird eine besondere Rolle zugeschrieben.

Von der Resilienzforschung zur Resilienzförderung

Durch die Stärkung von Schutzfaktoren kann das "seelische Schutzschild" gefördert werden. Es gibt inzwischen viele Studien, die bestimmte Schutzfaktoren wiederholt in ihrer Bedeutung für Resilienz bestätigen. Da die Resilienzforschung aber zeigt, dass von der Art und Stärke einer Belastungssituation abhängen kann, was wirklich hilft, leuchtet ein, dass im Lebenslauf nicht immer dieselben Resilienz-Ressourcen eine Rolle spielen müssen.

 

Welche Faktoren die Widerstandsfähigkeit einer Person unterstützen, kann auch davon abhängen, woran genau man sie festmacht, etwa an psychischer Gesundheit, an subjektivem Wohlbefinden oder an Leistungsfähigkeit. Alter, Geschlecht und das sozio-kulturelle Umfeld einer Person haben ebenfalls einen Einfluss darauf, welche Schutzfaktoren entscheidend sind. Slogans wie „In 7 Schritten zu Resilienz!“ greifen daher zu kurz.

 

Die Resilienz-Wissenschaft hat den Auftrag, (weitere) Erkenntnisse zur differenziellen Wirksamkeit von Schutzfaktoren zu liefern. Denn Maßnahmen zur Resilienzförderung können nur dann erfolgreich sein, wenn sie Forschungswissen einbeziehen.

Widerstandsfähigkeit stärken im Erwachsenenalter? - Resilienz-Beratung, Resilienz-Coaching, Resilienz-Training

Da sich die Bewältigungskapazität über die gesamte Lebensspanne entwickeln lässt, gibt es für Erwachsene inzwischen Resilienz-Beratung, Resilienz-Coaching und Resilienz-Training. Während Resilienz-Beratung meist mit der Vermittlung einer fachlichen Perspektive in Verbindung gebracht wird, gilt Resilienz-Coaching v.a. als Unterstützung zur Selbstklärung im Bewältigungsprozess. Die Grenzen sind dabei jedoch fließend.

 

„Resilienz-Training“ kann begrifflich insofern irreführen, weil Stressresilienz nicht „eingeübt“ werden kann. Das Trainieren von Einstellungen und Verhaltensweisen, die potentiell schützend wirken, z.B. aktives Problemlösen, kann aber einen Beitrag leisten.  

  

Da es keine einfache Formel dafür gibt, wie man Krisen übersteht und daran wächst, vermögen v.a. personenzentrierte Resilienz-Beratung und Resilienz-Coachings eine Lücke zu schließen, die bislang noch wenig erforscht ist: Die individuelle Seite der Widerstandskraft. Durch den Zugang zum persönlichen Anliegen und zur Geschichte eines Klienten können neben den generell bedeutsamen Ressourcen auch individuelle Schutzfaktoren und -prozesse identifiziert und gefördert werden.

Resilienz als übernatürliche Kraft? - Eine realistische Perspektive

Innere Stärke angesichts belastender Situationen ist für viele Personengruppen relevant. Aufgrund eines hohen Belastungsniveaus ist etwa die Resilienz bei Lehrern, die Resilienz bei Pflegenden oder auch bei älteren Menschen ein viel diskutiertes Thema. Gruppenübergreifend sind zum Beispiel Themen, wie „Resilienz nach der Trennung“.

 

Die Resilienz von Führungskräften spielt aktuell im öffentlichen Diskurs eine besondere Rolle. Der Ruf nach Resilienz im Unternehmen bzw. in der Unternehmensführung deutet aber nicht selten eine Perspektive an, welche die Bewältigungskapazität als unbesiegbare Kraft versteht, die herausragende Leistungen trotz Stress ermöglicht. Widerstandsfähigkeit hat aber natürliche Grenzen. Es gibt Lebensumstände, die so schwierig sind, dass psychische Gesundheit zumindest zeitweise nicht realisiert werden kann. Und da "Bewältigungserfolg" zuweilen auf ein fragiles, situationsabhängiges Gleichgewicht von Risiko- und Schutzfaktoren zurückgeht, kann die mentale Kraft in verschiedenen Lebensphasen in ihrer Stärke variieren. Trotz wirklich beeindruckender Bewältigungsleistungen, zu denen Menschen imstande sind, tut der öffentlichen Debatte eine realistische Perspektive auf die Krisenkompetenz gut.

In meinen Publikationen finden Sie weitere Informationen zum Thema Resilienz (hier).

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